Mäßigkeit
Mäßigkeit lohnt sich!
Albert Gruber
Akad. Lehrer für Gesundheitsberufe
Maßvoll leben, Maß halten – alles nicht gerade Begriffe, die im Trend liegen in einer Konsumgesellschaft, in der die Mentalität
des «Ich will alles – und das am besten sofort» wie ein Krebsgeschwür um sich greift.
Mein Freund und ich ...
In der Stadt traf ich neulich meinen Freund und fragte wie gewohnt, wie es ihm denn gehe.
«Naja, es schwankt so zwischen Wohl und Übel, aber es passt schon – und selbst?» Zufrieden schmunzelnd antwortete ich: «Also, ich liebe das Leben – und das Leben liebt mich!» «Beneidenswert – wie geht denn so etwas?», warf mein Gegenüber ein. «Das wird wohl an deinem maßvollen Lebensstil liegen – aussehen tust du jedenfalls gut! Sich immer zum Guten zwingen ist für mich jedenfalls kein Thema. Ich will frei und zwanglos sein, das Leben genießen, egal, ob gesund oder ungesund. Ich halte es da ganz mit dem Spruch von Giovanni Boccaccio: ‹Es ist besser zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat.› »
Die Denkweise meines Freundes verwundert mich nicht – werden doch unsere Begehrlichkeiten und unser Konsumverhalten in allen Bereichen des Lebens durch die Medien immer unverschämter manipuliert. Maßvoll leben, Maß halten – alles nicht gerade Begriffe, die im Trend liegen in einer Konsumgesellschaft, in der die Mentalität des «Ich will alles – und das am besten sofort» wie ein Krebsgeschwür um sich greift. Der Mensch fusioniert sich dabei selbst mit seinem Ego und verpasst dadurch leider auch die Chance, das Leben in seiner harmonischen Fülle zu gewinnen!
Der Nutzen der Mäigkeit
Mäßigkeit aber ist eine ganz andere Art von Lebensfreude – und lohnt sich in vielerlei Hinsicht! Sie ist wie ein Freudenbecher, der nur darauf wartet, getrunken zu werden. Maßvoll leben ist der Weg, Körper, Seele und Geist so gesund zu erhalten, dass wir die größtmögliche Effektivität erreichen können. Ein unglaubliches Angebot, das uns allen offensteht! Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick in diesen «Freudenbecher» wagen und erkennen, was wir dabei alles gewinnen können, denn das zahlt sich wirklich aus!
Gestärkte körperliche und geistige Kräfte, bessere Stoffwechselfunktionen, verbesserte Sinneswahrnehmungen, Achtsamkeit, Zufriedenheit, seelisch-geistige Balance, Entschleunigung, mehr Freizeit, Dankbarkeit, Genügsamkeit, Nachhaltigkeit, Gelassenheit, Schutz und Freiheit, gestärktes Immunsystem, Lebensfreude, Lebensgenuss und damit hohe Lebensqualität, um nur einige Vorteile zu nennen. Einfach wunderbar!
Die Ernährung ist
maßgebend
Das Wunderwerk Mensch ist genial durchdacht und konstruiert. Es besteht aus ca. 100 Billionen mikroskopisch kleiner Einzelteile. Jede Körperzelle ist von unglaublicher Vielfalt und der ganze menschliche Organismus arbeitet in einer vollkommenen Harmonie, die fast über unseren Verstand hinausgeht. In gesundem Zustand können sich die Zellen auch ständig erneuern und sogar selbst reparieren. Tatsache ist, dass alle Körperzellen aus der Nahrung aufgebaut werden, die wir täglich zu uns nehmen. Das bedeutet: Ob mein Körper eine «Bruchbude» oder ein
«5 Sterne-Hotel» ist, hängt in einem hohen Maß von meiner Ernährungsweise ab! Wenn also unser Maßhalten Erfolg haben soll, dann sollten wir am Esstisch damit beginnen. Bei einer maßvollen Nahrungsaufnahme und regelmäßigen Fastenzeiten sind die positiven Auswirkungen nämlich verblüffend: Blutdrucksenkung, verminderter Ruhepuls, bessere Blutwerte, erhöhte Stressbelastbarkeit, geregelte Verdauung, Rückgang von Entzündungen und vieles mehr. Mäßigkeit wird hierbei zum unterstützenden Heilmittel!
Übrigens: «Gut gekaut ist halb verdaut!» Jeder kennt diesen Spruch, aber fast keiner hält sich daran. Zeit nehmen, um sich die Nahrung auf der Zunge zergehen zu lassen, wahrzunehmen, auszukosten, zu genießen, schmecken und kauen – das gehört auch zur Mäßigkeit. Das Sättigungsgefühl wird wieder rechtzeitig wahrgenommen, man isst weniger und wird und bleibt länger satt. Auf diese Weise entwickelt sich auch kein Bäuchlein. Und: Zugunsten unserer Gesundheit zählt nicht nur das, was wir essen, sondern genauso auch das, was wir nicht essen!
Ein Blick auf unser «Wohlstands-Leben»
Noch nie war sie so groß, unsere Entscheidungsfreiheit. Angesichts des Überangebotes an Konsummöglichkeiten ist der daraus entstehende Orientierungsstress ein täglicher nerviger Begleiter geworden. All die Freiheiten und Möglichkeiten werden zum Zwang, möglichst alles nutzen zu können und nichts zu versäumen. Immer beherrschender wird dadurch die Angst, vielleicht doch nicht das Richtige zu tun. So versuchen wir all dem mit noch mehr Beschleunigung zu entrinnen und koppeln uns dabei zunehmend von den natürlichen Lebensgewohnheiten und «Rhythmen der Natur» ab. Dazu ertrinken wir im Internet und kämpfen uns täglich durch die sozialen Medien und die noch nie da gewesene Informationsflut – und das rund um die Uhr! Wir Menschen sind aber nicht für permanente «Höchstgeschwindigkeit» und «Reizüberflutung» erschaffen worden. Wir müssen zurückfinden zu einem ausgewogenen Lebensstil – zur Mäßigkeit – und dabei lernen, unser Leben zu entschleunigen.
Also raus aus der Tretmühle und rein ins echte Leben! Gemeint ist damit eine bewusste Rückkehr zu den Dingen, die wirklich wichtig sind. Die Entscheidung für ein weniger komplexes, aber dafür erfüllteres Leben. Es geht darum, einen gesunden Lebensrhythmus zu finden und dadurch qualitative Zeit zu gewinnen. Ein auf sich selbst Besinnen, um wahre Ruhe und wahres Glück zu erfahren. Denn: Menschen, die Zeit haben, sind meist zufriedener und glücklicher!
Alle «menschlichen Dinge» haben ihre Zeit und folgen einem Rhythmus. Alles hat eine Aktivitäts- und eine Ruhephase. Diese sollten einander in gesundheitsfördernden Abständen abwechseln. Das müssen wir bedenken, wenn wir unser Leben nach dem richtigen Maß ausbalancieren wollen!
Maßgebendes Herz
Eines der besten Vorbilder für ein maßvolles und ausbalanciertes Leben liefert uns unser Herz. Während des aus drei Phasen bestehenden Herzschlags arbeitet das Herz ein Drittel der Zeit und ruht zwei Drittel. Und genau deshalb erfüllt es ein
Leben lang zuverlässig und meist fehlerfrei seine Aufgabe. Würden
wir dem Beispiel unseres Herzens
folgen, würden wir die 24 Stunden des Tages in 3 Abschnitte einteilen: 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Schlaf und 8 Stunden für Tätigkeiten, die die Kräfte regenerieren. Durch diesen natürlichen und maßvollen Lebensstil würden wir als Einzelperson und als Gesellschaft Unglaubliches gewinnen! Bereits eine geringe Dosis Entschleunigung und Achtsamkeit hilft uns, das Leben nicht mehr nur als Autobahn, sondern eher als eine Abfolge kleiner Glücksmomente wahrzunehmen. Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung und das Erleben des aktuellen Moments. Das heißt, wer maßvoll lebt und sich dankbar über das freuen kann, was er hat, konzentriert sich auf das Leben selbst und gewinnt dabei etwas enorm Wichtiges: Freiheit! Freiheit von Abhängigkeiten, Zwängen und Süchten. Freiheit von maßlosem Verlangen und dem Wunsch nach immer mehr. Freiheit, um sorgsamer, achtsamer und rücksichtsvoller mit sich, dem Mitmenschen und unserer Erde umzugehen. Dadurch werden wir zurückkehren zur «Normalität», zum «Ursprung» und wieder zur Gänze, die Harmonie von Körper, Seele und Geist erleben können!
Ein Hauptgewinner
Durch diesen natürlichen und maßvollen Lebensstil wird das Gehirn zu einem Hauptgewinner, denn ein maßvoller Lebensstil bringt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist in Form. Forscher der Universität Kalifornien haben nachgewiesen, dass sich die Gehirnstruktur bei Menschen mit einer maßvollen, gesunden Lebensführung anatomisch (geringerer Abbau der Gehirnzellen) und funktionell (höhere geistige Kapazitäten) verbessert. Nichts Neues? Die Tatsache an sich vielleicht nicht. Das überraschende Detail ist allerdings, dass sich eine positive Veränderung bereits nach 2 Wochen einstellt!
Der dauerhafte Gewinner
Stellt sich zum Schluss die Frage, wie wir unsere bisherigen Gewohnheiten verändern und zu dauerhaften Gewinnern der Mäßigkeit werden können? Folgende 5 Schritte werden empfohlen:
1. Bewusste Entscheidung: Wer dauerhaft seine Gewohnheiten verändern will, muss einen Entschluss fassen und alles daran setzen, seine Willenskraft zu stärken.
2. Kenntnisse erwerben und anwenden: Es läuft darauf hinaus, dass wir bewusst tun, was Sinn macht (das Gute und Gesunde in Maßen zu genießen und sich von Schädigendem fernzuhalten) und nicht, was uns leichtfällt. Sich in der Mäßigkeit üben ist wie ein Trainingscamp für unsere Willenskraft.
3. Maßnahmen wiederholen: Vorsicht – hier drehen die meisten wieder um! Dranbleiben lautet die Devise, denn dann stellen sich:
4. Erste Erfolge ein und mit den Erfolgen steigt
5. Die Motivation, weiterzumachen.
Mit jeder Wiederholung gräbt sich der Ablauf in unsere Basalganglien (Kerngebiete des Endhirns, die unterhalb der Großhirnrinde liegen) ein und formt sich langsam
zu neuen, guten Gewohnheiten.
Ja, Mäßigkeit lohnt sich! Das Leben in seiner Fülle ist es, was wir durch Maßhalten in allen Bereichen unseres Daseins gewinnen und genießen dürfen! Der ganze Mensch kann wieder die Harmonie von Körper, Seele und Geist erleben! Sollten wir uns da mit weniger zufrieden geben? Der Freudenbecher steht jedenfalls für uns bereit – lassen Sie es sich schmecken!
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