Beziehungen
Mehr als tausend Worte …
Was ich von taubstummen Kindern in Südindien über herzliche und erbauliche Kommunikation lernen durfte.
Dr. Med. Lydia Binus
Allgemeinmedizin
Es ist 20:30 Uhr und bereits stockfinster. Todmüde und doch gespannt, was uns wohl in den nächsten Tagen erwarten wird, steigen meine Freunde und ich nach der über 24-stündigen Anreise aus unserem Reisebus auf einem Schulareal in Südindien aus. Kaum öffnet sich der Kofferraum, schon flitzen einige kleine, etwa 8 bis 12-jährige, einheimische Jungen herbei, um uns sofort die Last abzunehmen, und tragen unsere schweren Koffer zum Eingang unserer kleinen Zimmer. Kein Mucks ist dabei zu hören, nur freundliche offene Augen lächeln uns immer wieder verlegen an.
SCHULE FÜR TAUBSTUMME KINDER
Da waren wir nun angekommen – in der «School for Speech and Hearing Impaired» (Schule für taubstumme Kinder), um hier die nächsten zwei Wochen zu wohnen und von hier aus täglich zum nahegelegenen, medizinischen Einsatzort zu fahren. Beim Aufwachen am nächsten Morgen trifft es uns noch mehr als am Abend zuvor – ein fröhliches Kinderlärmen werden wir hier wohl nicht hören, obwohl gleich in den Nachbarräumen rund 100 Kinder im Alter von 5 bis 18 Jahren in ihren Stockbetten schlafen, spielen, essen oder die Schulbank drücken. Was wir in den folgenden Tagen erleben, eröffnet uns eine ganz neue Welt – eine Welt voller Farben und lachender Gesichter sowie eine Welt der Stille und doch herzlichster Kommunikation.
MAN KANN NICHT NICHT KOMMUNIZIEREN!
Schon der bekannte Philosoph und Psychoanalytiker Paul Watzlawick formulierte den bedeutenden Satz: «Man kann nicht nicht kommunizieren». Dies hier war der lebende Beweis. Dort, wo Worte und Laute nicht existieren, erlebte ich in diesen zwei Wochen so viel Austausch und Dialog wie selten in meinem Leben zuvor. Umso mehr stellte ich mir immer wieder die Frage: Wie können wir unsere Worte und verbalen Äußerungen so gebrauchen, dass eine annähernd herzliche, liebevolle und fröhliche Atmosphäre entsteht? Sicher hatte einiges mit der Körpersprache zu tun, die diese Kinder in einem viel größeren Ausmaß einzusetzen wussten. Darüber hinaus waren sie einer anderen Sprache, der Gebärdensprache, mächtig, die ihnen ihren regen Austausch miteinander ermöglichte. Sie konnten damit nicht nur Informationen austauschen, sondern in dieser Sprache zu unserem Erstaunen auch gemeinschaftliches «Singen» mit großer Freude praktizieren. Und doch wurde es uns anderen bedrückend schwer ums Herz, wenn wir uns vergegenwärtigten, dass diese Menschen nie die Schönheit einer Melodie erfahren werden und Musik für sie nur ein abstrakter Begriff bleiben wird. Wie dankbar sollten wir daher für die Gabe des Hörens und Sprechens sein!
WIE FUNKTIONIERT GUTE KOMMUNIKATION?
Dennoch stelle ich leider fest, dass wir sprech- und hörbegabten Menschen nicht immer einen herzlichen und Mut machenden verbalen Austausch im Alltag erleben. Im Gegenteil, sind nicht oft Worte der Grund für Uneinigkeit, Verletzungen und zwischenmenschliche Distanz? Wie funktioniert dann also ein friedsamer und gewinnbringender Austausch? Ob in der Ehe, zwischen Eltern und Kindern oder unter Schul- und Arbeitskollegen, unsere Beziehungen leben vom Dialog. Welche Prinzipien in der Kommunikation helfen uns dabei, unsere Beziehungen aufzubauen und zu pflegen? Was hingegen wirkt sich zerstörerisch auf unsere Beziehungen aus?
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