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Umarme die Sonne
Foto: iStock.com/andersboman

Sonne
Umarme die Sonne

Die erstaunlichen Auswirkungen von Sonne auf unsere Gesundheit

Stephanie Kelm
Autorin und Lektorin

Die Sonne weckt das Leben buchstäblich. Am deutlichsten ist das im Frühling zu sehen, wenn in unseren Breiten plötzlich das Grün wie aus dem Nichts auftaucht. Plötzlich? Nicht ganz. Pflanzen besitzen eine Art innere Uhr, die sie immer wieder mit sogenannten Zeitgebern synchronisieren. Die bedeutendsten Zeitgeber sind Licht und Temperatur. Durch Lichtsensoren im Gewebe stellt etwa ein Buschwindröschen fest, wie lange es schon hell ist. So kann es die Tageslänge bestimmen – und zur richtigen Zeit «auftauchen» und blühen. Obstbäume verfügen über eine Form von Wärmezähler. Dieser rechnet die Anzahl der warmen Tage zusammen. Sind es im Frühling genug, stellt ein Gen den Wachstumsmodus an. Und wir Menschen staunen.

Die gesamte Pflanzenwelt wird durch die Sonne aktiviert. Dabei wirkt die Sonne wahre Wunder. Dies tut sie auch bei uns Menschen, nur anders. Wir vollziehen keine Fotosynthese, doch spüren auch wir im Frühling, wie die Sonne uns belebt und wie ihre Wärme uns auf die Parkbänke lockt. Sonne tut gut! Im Sommer vergessen wir das manchmal und verstecken uns aus Furcht vor zu heftiger Sonneneinstrahlung. Doch ein maßvoller Umgang mit ihr ist durchaus geboten. Denn wir brauchen ihre Kraft, ihr Licht und ihre Wärme!

Sonnenlicht als Vitaminbombe
Aber warum genau tut die Sonne uns gut? Was macht sie mit uns und wie können wir ihre Vorteile für uns nutzen – wie die Buschwindröschen und die Apfelbäume? Ist in der Pflanzenwelt die Fotosynthese der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Sonne geht, ist es beim Menschen das Vitamin D, das durch Sonnenlicht über die Haut hergestellt wird und nahezu an allen Stoffwechselprozessen in unserem Körper beteiligt ist. Beispielsweise sorgt das Sonnenvitamin für gesunde Knochen und verbessert die Herzmuskelleistung, es stärkt das Immunsystem, mindert das Krebsrisiko, schützt die Nervenzellen und kräftigt die Muskulatur. Als Vitamin kann es zwar mit der Nahrung aufgenommen werden, die Hauptversorgung erfolgt jedoch durch die körpereigene Herstellung. Diese ist im Sommer bereits durch dreißig Minuten Morgenspaziergang gewährleistet, im Frühling und Herbst braucht es etwa eine Stunde. Im Alter nimmt die Fähigkeit ab, Vitamin D über die Haut zu bilden. Tageslicht und die Zufuhr über die Nahrung werden dann noch wichtiger. Laut dem Bundesamt für Gesundheit kann eine 70-jährige Person im Vergleich zu einer 20-jährigen nur noch die Hälfte der Menge an Vitamin D bilden.

Ein Aktiv- und Glücklichmacher
Sonnenlicht macht gesund. Und es macht aktiv und glücklich. Nicht umsonst sind wir im Frühjahr gut gelaunt und beschwingt. Doch warum wedeln wir im März fröhlich mit dem Staubwedel durch die Wohnung, nicht aber im Januar?
Sonnenlicht hat einen nachweislich positiven Einfluss auf unsere Stimmung. Grund dafür ist, dass helles Licht über die Netzhaut unseres Auges auf den Hypothalamus wirkt und dort dafür sorgt, dass die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin unterdrückt wird. Statt zu schlafen, werden wir munter und Serotonin – das Glücks- und Wohlfühlhormon – wird freigesetzt. Dieses hellt die Stimmung auf und wirkt sogar schmerzhemmend. Außerdem wird Dopamin gebildet, das Hormon für Motivation und Konzentration. In Philadelphia führten Psychologen eine Untersuchung mit Studierenden durch. Diese wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe arbeitete ausschließlich bei Sonnenschein, die andere nur bei Regen. Das Ergebnis war beachtlich. Die Sonnengruppe machte 50 Fehler weniger und war mit den Lösungen 18 Stunden schneller fertig als diejenigen, die ihre Aufgaben an Regentagen lösen mussten.1 Jetzt könnte man fragen: Warum produziert der Körper nicht einfach nur Serotonin? Wäre es nicht viel schöner, wenn wir einfach stets munter und gut gelaunt wären?

Sonnenlicht als Rhythmusgeber
Als Lebewesen bewegen wir uns in einem Hin und Her zwischen Ruhe und Aktivität. So sind wir geschaffen und so funktioniert auch unser Biorhythmus. Melatonin macht uns müde und sorgt für guten Schlaf. Die Sonne macht uns munter und gewährleistet, dass wir tagsüber leistungsfähig sind. Dass die Ausschüttung von Serotonin und Melatonin an den Tag-Nacht-Rhythmus gekoppelt ist, wurde überaus genial eingerichtet. Beide Hormone sorgen anhand des Lichts für einen geregelten Biorhythmus und dafür, dass unsere innere Uhr richtig tickt und wir gesund bleiben. Der Winter bleibt jedoch gerade in unseren Breiten eine Herausforderung, denn unser Körper ist auf eine bestimmte Menge an Licht angewiesen, die er dann meist nicht ausreichend erhält. Lichtmangel führt zu messbaren Veränderungen im Serotoninhaushalt. Nicht umsonst gibt es Winterblues und Winterdepression. Für die Lichtintensität spielt dabei nicht nur die Helligkeit eine Rolle, sondern auch die Zusammensetzung des Lichts. So hat Tageslicht morgens und mittags einen höheren Blauanteil als abends: damit wir wach werden. Auch Bildschirme strahlen blaues Licht aus. Daher ist auch der Tipp hilfreich, sie am Abend zu meiden oder den Nachtmodus zu aktivieren, bei dem der Blaulichtanteil herausgefiltert wird. So ist das Gehirn nicht irritiert, Biorhythmus und Hormonhaushalt bleiben im Takt. An einem Sommertag mit Sonne beträgt die Lichtintensität übrigens bis zu 100 000 Lux. Ist es ein wolkiger Sommertag, sind es immer noch 20 000 Lux, ähnlich wie mittags an einem klaren Wintertag. Zum Vergleich: Zimmerlampen kommen auf 300 bis 500 Lux. Tageslicht ist also um ein Vielfaches heller und wirksamer als jede Lampe, selbst an trüben Tagen. Die Chronobiologin Anna Wirz-Justice geht deshalb morgens immer eine halbe Stunde nach draußen. «Das reicht, um die innere Uhr zu synchronisieren», sagt sie.

Sonnenlicht als Heilmittel
In Lichttherapien macht man sich diese positive Auswirkung von Licht zunutze. So haben Beleuchtungsstärken von 2500 bis 10 000 Lux eine hilfreiche Wirkung bei Menschen mit Depressionen. Auch bei dermatologischen Erkrankungen unterstützen sie die Heilung. Mediziner entdecken aber auch bei anderen Krankheitsbildern überraschende Wirkungen von Licht: Bläuliches, wachmachendes Licht konnte die Verwirrtheit von Demenzkranken mindern; bei rötlichem Licht konnten sich hyperaktive Kinder schneller beruhigen. Licht als Medikament der Zukunft? Bei der zentralen Rolle von Vitamin D im menschlichen Stoffwechsel verwundert es nicht, dass sich ein Mangel eklatant auswirken, Sonnenlicht dagegen überaus heilsam sein kann. Vor zehn Jahren fiel Forschern ein Zusammenhang zwischen Sonnenlicht und Bluthochdruck auf. Sie untersuchten, welche Auswirkung UV-A-Strahlung auf den Blutdruck hat, und fanden heraus, dass sich systolischer wie diastolischer Wert deutlich senkten – und damit auch das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt. Die Erklärung ist einfach: Bei der Einwirkung von UV-A-Strahlen auf die Haut entsteht Stickstoffmonoxid, das die Blutgefäße erweitert. Auch unser Immunsystem profitiert vom Sonnenlicht. In Studien fand man heraus, dass Sonne die weißen Blutkörperchen aktiviert. Diese sorgen mit ihren Helfer- und Killerzellen dafür, dass Krankheitserreger schnellstmöglich gefunden und unschädlich gemacht werden. Niedrige Mengen an blauem Licht, wie sie in Sonnenstrahlen vorkommen, bringen diese Zellen nachweislich dazu, sich schneller zu bewegen, also rascher zu Krankheitserregern und Keimen zu gelangen.2 Genial, oder? Ebenfalls lässt sich bei Autoimmunerkrankungen, Brust- und Darmkrebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Infektionen eine positive Wirkung von Sonnenlicht feststellen. Erforscht ist dabei noch längst nicht alles. Zu beachten ist dabei stets das richtige Maß.

Sonnenlicht – einfach zum Staunen
Fjodor Dostojewski sagte einmal: «Es ist doch erstaunlich, was ein einzelner Sonnenstrahl mit der Seele eines Menschen machen kann.» Hat er recht? Während ich diesen Artikel schreibe, ist es April- grau und kalt. Ich befinde mich in der Jahreszeit, in der endlich wieder mehr Sonnenstrahlen auf die Erde fallen und in der ich jeden Sonnenstrahl und die zunehmende Kraft der Sonne genieße. Beim Recherchieren für diesen Artikel habe ich an vielen Stellen gestaunt und gedacht: Genial, was die Sonne alles kann! Eine letzte Studie fand ich beeindruckend. Auch sie verdeutlicht den Einfluss, den Sonnenlicht auf unser Leben hat. Forscher untersuchten dynamisches Licht in Schulklassen: Durch die Anpassung von Farbtemperatur und Lichtintensität auf die Anforderungen im Klassenraum verbesserten sich die Leistungen der Schüler deutlich. Unter hellem, bläulichem Licht konnten sie schneller lesen und machten weniger Fehler. Durch Beigabe von gelbem Licht ließen sie sich besser beruhigen.3 Sonnenlicht aktiviert uns. Es beruhigt uns. Es heilt. Es stellt unsere innere Uhr. Sonnenlicht macht glücklich!Ich habe den Eindruck, wir Menschen dürfen noch viel lernen. Je tiefer wir in die Phänomene der Natur eintauchen, desto mehr kommen wir ins Staunen. Dostojewski hatte recht: Sonnenstrahlen sind erstaunlich. Vielleicht sollten wir die Sonne wieder öfter umarmen, anstatt uns zu sehr vor ihr zu fürchten …

Quellen:
1 https://www.welt.de/gesundheit/article153812455/So-wichtig-ist-Sonnenlicht-fuer-Ihre-Gesundheit.html (26.04.2024).
2 https://gumc.georgetown.edu/news-release/sunlight-offers-surprise-benefit-it-energizes-infection-fighting-t-cells/ (26.04.2024).
3 https://images.philips.com/is/content/PhilipsConsumer/PDFDownloads/Switzerland/ODLI20161226-001-UPD-de_CH-Lay_CE5_SchoolVision_251010.pdf (26.04.2024).

 

 

 

 

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